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Nachwuchsautoren im Gespräch: Nina Lewis 

 6. September 2019

Interviews mit Bestseller-Autoren gibt es überall. Aber was beschäftigt Autoren, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen? Wie ergeht es den Nachwuchsautoren, die gerade an ihrem Debüt arbeiten oder noch eine sehr überschaubare Anzahl größerer Veröffentlichungen vorweisen können? In dieser neuen Interview-Reihe stelle ich junge Schreibtalente vor, deren Leben, Werke und Projekte nicht minder spannend sind als die der bekannten Schriftsteller. Lassen wir die Nachwuchsautoren also zu Wort kommen!

Diese Woche stelle ich Nina Lewis vor, die aus Zeitmangel eine zeitgenössische Campus-Romanze geschrieben hat.

Hallo Nina. Vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, um mir ein paar Fragen zu beantworten. Du hast einen Roman aus dem Unialltag, The Englishman, in den USA veröffentlicht. Wie bist Du dazu gekommen und was hat Dich dazu bewegt, den Roman nicht in Deutschland zu veröffentlichen? Wird es eine deutsche Ausgabe geben?

Ich hatte eine neue Stelle angetreten und arbeitete 12 Stunden und mehr jeden Tag. Für mein „ernsthaftes“ Projekt, einen historischen Roman, hatte ich nicht den Kopf, aber irgendetwas mußte ich schreiben. Also schrieb ich über eine junge Frau, die eine neue Stelle angetreten hatte, und weil mir der Uni-Betrieb bekannt war, spielte es eben an einer Uni. Eine Freundin, die Chick-Lit übersetzt, machte mich auf die Platform literotica.com aufmerksam, und da habe ich immer mal ein Kapitel hochgeladen, wenn ich Zeit hatte.

Nein, ins Deutsche übersetzt wird der Roman sicher nicht.

Wie bringst Du Deine Geschichten lieber an die Öffentlichkeit – über Self-Publishing oder im Verlag?

Eines Tages bekam ich eine Mail von einer Leiterin eines kleinen, relativ neuen Verlages von Fantasy/Romance für Frauen in den USA, die meine (damals noch unfertige) Geschichte auf literotica.com gefunden hatte. Sie bot mir an, wenn ich einen Roman draus machen würde, die Veröffentlichung zu erwägen. Also schrieb ich das Ding mit viel Aufwand und Recherche fertig, und es wurde dort dann veröffentlicht.

Der Lektoratsprozess war sehr unerfreulich. Die Lektorin war sehr unerfahren und dabei sehr direktiv; pfuschte (aus meiner Sicht!) selbstherrlich in dem Manuskript herum; verbiss sich in Details („Solche Schuhe tragen amerikanische Professoren nicht!“); und wir stritten über einzelne Adjektive, die mir am Herzen lagen, die aber für den Erfolg des Buches völlig unerheblich waren. (Zum Beispiel durfte ein Kondom nicht neongrün sein, weil das die romantische Atmosphäre verdürbe. Dabei war das genau der Effekt, den ich wollte. Ging nicht.) Strukturelle Probleme, z. B. die Länge, wurden gar nicht besprochen, obwohl ich da Hilfe gebraucht hätte.

Das inkompetente Lektorat – und dies wurde sogar in Rezensionen bemerkt: „WHERE WAS THE EDITOR?“ schrieb jemand – wird vielleicht aufgewogen durch die Unterstützung, die man vom Verlag bei der Werbung bekommt. Mein Verlag organisierte eine „blog tour“, so dass der Roman von zehn Blogs innerhalb von zwei Wochen besprochen oder wenigstens gelistet wurde.

Eine Freundin hat gerade im Self-Publishing veröffentlicht, und das Marketing ist sicher ein erheblicher Nachteil. Aber persönlich habe ich hier keine Erfahrungen.

Liest Du selbst lieber E-Books oder gedruckte Bücher?

Ganz klar: In der Freizeit lieber E-Books (weil man mit dem Kindle so schön im Bett liegen kann); zum Arbeiten auf jeden Fall lieber auf Papier.

Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei Dir aus?

Ich habe unregelmäßige Arbeitszeiten, aber ich kann morgens am besten schreiben. Das versuche ich zu nutzen. Später am Tag gehe ich dann zur Arbeit oder arbeite von zu Hause. Der Haushalt integriert sich da irgendwie, oder auch nicht.

Schreibst Du jeden Tag?

Nein, nicht jeden Tag. Es gibt Tage, da komme ich gar nicht zum Roman, Tage an denen ich nur „poliere“, und Tage, an denen ich schreibe. Ich habe auch keine Wortanzahl, die ich täglich zu erreichen versuche. Ich bin eher undiszipliniert.

Englische Autoren werden gerne gefragt, ob sie „Plotter“ oder „Pantser“ sind, also Planer oder Bauchschreiber. Zu welcher Fraktion gehörst Du?

Grundsätzlich und am Anfang einer neuen Geschichte bin ich „pantser“, und ich weiß auch jetzt noch nicht, wie genau mein derzeitiger Roman ausgeht, obwohl ich ca. 70 % schon geschrieben habe. Ich weiß nicht, was passiert, bevor es passiert.

Aber zwischendurch muss ich planen und male Zeitstreifen und mache Mindmaps. Da ich meine Geschichten als „Versatzstücke“ produziere, müssen die Puzzleteile irgendwann zusammenpassen, und dazu werde ich dann eher ein „plotter“.

Viele Autoren schwören auf Kaffee beim Schreiben. Welche Geheimmittel bringen Dich durch lange Schreibphasen?

Schokolade. Schlimm. Aber ich unterbreche auch viel und schlafe, um mein Hirn zu leeren, oder dusche oder gehe eine Runde spazieren.

Welche Themen oder Zeiten interessieren Dich beim Schreiben am meisten? Worüber würdest Du niemals schreiben?

Es macht mir Spaß, Vergangenheit lebendig werden zu lassen, deshalb schreibe ich „eigentlich“ historische Romane, die alle in England spielen. Aber mein erster und zweiter (und hoffentlich bald fertiger) Roman spielen heute in den Vereinigten Staaten. Das kam daher, dass ich mir dachte, diese Projekte sind ja nicht „ernst“ und ich probiere mal aus, was ich sonst nie schreiben würde, also: Gegenwart, USA, Ich-Erzählerin, Präsens.

Science Fiction und Fantasy lese ich selten und würde ich deshalb auch nicht als Gattungen für meine Romane auswählen. Ich hab’s auch nicht so mit Gewalt und Grausamkeit. Letztlich sind meine Romane Liebesromane – courtship novels, wie Jane Austen –, nur mit mehr Geschichte drin.

Ich würde nie eine Figur zu meiner Hauptfigur machen, von der ich mich abgestoßen fühle. Das Ausloten der menschlichen Untiefen interessiert mich eher nicht; also ein Großwildjäger, der sein Geld mit Massentierhaltung verdient, Donald Trump unterstützt und Kinderpornos anschaut, wäre niemals mein Protagonist, und auch nicht mein Antagonist, denn als Autorin muss man sich auch in seine Antagonisten hineinfühlen wollen.

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Bücher? Fallen Dir die spontan ein oder hast Du eine Sammlung, aus der Du schöpfen kannst?

Wenn man sich für Geschichte interessiert, fallen einem ständig Ideen für Romane ein. Jeder Krisenmoment in der Vergangenheit ist ein spannendes Setting. Jede meiner Ideen entsteht aus der spontanen Frage: „Boah – wie war es wohl, DAS zu erleben?“

Hast Du schon einmal überlegt, ein Buch mit einem Mann als Protagonist zu schreiben?

Jein. Da ich Geschichten über Liebesbeziehungen schreibe, habe ich eigentlich immer zwei ProtagonistInnen. Die Perspektive wechselt zwischen dem Held und der Heldin. 

Hast Du literarische Vorbilder? Wenn ja, wen?

In der „Hochliteratur“ stehen Jane Austen und Hilary Mantel ganz oben. In der „Unterhaltungsliteratur“ (blöde Unterscheidung!) lese ich gern Jennifer Crusie, K. J. Charles, P. F. Chisholm, Jo Bourne, Joanna Gray, Courtnay Milan. Meine früheste „Prägung“ aber kam sicher durch Georgette Heyer!

Welches Buch liegt aktuell auf Deinem Lesestapel?

Sandra Antonelli, At Your Service und Forever in Your Service. Wenn man so will, ist dies gehobene James-Bond-Fanfiction: Der Held ist ein Daniel-Craig-ähnlicher Agent; die Heldin seine (fünf Jahre ältere) „Butlerin“. Die Verbindung von Romantik und Agententhriller mit Hauptfiguren Mitte/Ende Vierzig macht total Spaß!

Was findest Du beim Schreiben eines Textes am schwierigsten?

Die Handlung. Spannung herzustellen. Die authentische Darstellung von Geschichte hinter mir zu lassen und meine Figuren in ungewöhnliche, bizarre, quälende Situationen zu bringen. Und: Den Ton zu finden. Wie leicht-humorig soll es sein? Wie gesellschaftskritisch oder satirisch? Wie erotisch/sexuell explizit? Man kann jeden Stoff auf so viele Weisen erzählen; ich kann mich schlecht für eine entscheiden.

Was stört Dich am meisten am Autorendasein? Was genießt Du besonders?

Mein Job findet hauptsächlich sitzend vor dem Computer statt, und das Schreiben auch. Das ist nicht ideal. Ich bewege mich nicht genug und esse zu viel Schokolade! – Der Vorteil ist unermesslich: Ich kann mich mit Dingen beschäftigen, die ich spannend finde, völlig selbstbestimmt. 

Die Bücherwelt dreht sich immer schneller. Manche Autoren bringen vier bis sechs Bücher pro Jahr auf den Markt. Einen Roman in 30 oder 60 Tagen zu schreiben, wird überall als machbar angepriesen. Siehst Du dieser Entwicklung gelassen entgegen oder fühlst Du Dich dadurch unter Druck gesetzt?

Da ich nicht erwarte, mit meinen Romanen Geld zu verdienen, leiste ich mir den Luxus der Langsamkeit. Wie es wäre, wenn ich Erfolg hätte und Fans und der Verlag Druck auf mich ausüben würden, weiß ich nicht. Es ist vielleicht auch nicht schlecht, wenn man sich nicht ZU lange an einem Projekt festhalten kann?

Schlimmer finde ich, dass das literarische Mittelfeld verschwindet. Das, was auf Englisch „middle-brow“ heißt, also gehobene Unterhaltung. Es gibt entweder Bestseller à la Fifty Shades of Grey, die dann alle lesen, oder Fanfiction online. Dazwischen passiert immer weniger.

Wenn Du anderen Nachwuchsautoren einen Rat geben solltest, welcher wäre das?

Lade Deine Geschichten auf Internetplatformen hoch, um zu sehen, welche Resonanz Du bekommst. Es gibt für jede Gattung, jedes Thema Online-Communities, so dass Du LeserInnen finden kannst, auch wenn Du noch unveröffentlicht bist.

An was arbeitest Du gerade und was sind Deine nächsten Projekte?

Gerade schreibe ich eine Dreiecksgeschichte zwischen einer hoch verschuldeten Uni-Absolventin, ihrem Sugar Daddy und dessen Sohn. Er wird The Triangle heißen!

Danach greife ich ein altes Projekt auf, das 1793 in England spielt, als der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich ausbricht. Da wird es um Politik und Kunstschmuggel gehen. Und ich träume von einem Roman, der in Oxford im späten 14. Jahrhundert spielt, als Stadt und Uni, Staat und Kirche sich in den Haaren lagen. 

Wo kann man Dich online am besten erreichen, wenn man sich für Dich und Deine Bücher interessiert?

Ich bin am besten auf Twitter zu erreichen: @NinaLewis16

Vielen Dank für das Gespräch, Nina.


Wenn Du jetzt Lust bekommen hast, auch unter die Nachwuchsautoren zu gehen, dann schau doch mal in meinen Beitrag Crash-Kurs für Autoren hinein. Darin begleite ich Hobbyautoren von der Buchidee bis zum fertigen Buch und noch ein Stückchen weiter.


Dr. Birgit Constant


Birgit Constant ist promovierte Mediävistin, hat elf Sprachen gelernt und sich in Übersetzung, IT und PR herumgetrieben, bevor sie in der Buchwelt landete.

Sie schreibt historische Romane für Sprachbegeisterte, die geschichtlich und sprachlich ins Mittelalter eintauchen wollen, und hat einen Ratgeber für Nachwuchsautoren veröffentlicht, die mit deutscher Bürokratie und Buchmarketing kämpfen.

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