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Nachwuchsautoren im Gespräch: Ria Hellichten 

 27. September 2019

Interviews mit Bestseller-Autoren gibt es überall. Also her mit den Nachwuchsautoren!

Diese Woche stelle ich Ria Hellichten vor, die mit dem genre-übergreifenden Schreiben erst aufhören wird, wenn alle Taschentücher der Welt verbraucht sind.

Hallo Ria. Vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, um mir ein paar Fragen zu beantworten.

Hallo Birgit. Schön, dass ich Dir ein bisschen über mich erzählen darf.

Du schreibst „Romane mit Taschentuchgarantie“. Wie bist Du dazu gekommen und was reizt Dich daran besonders?

Bücher sind schon immer meine Leidenschaft gewesen. Ich habe mit neun Jahren E. A. Poe gelesen und mit elf Stephen King – nämlich meistens das, was bei meiner Mutter gerade auf dem Lesesessel lag. Und irgendwie war auch schon immer der Wunsch da, selbst ein Buch zu schreiben. Ich erinnere mich, dass ich in der Grundschule kleine „Bücher“ mit selbst ausgedachten Geschichten zusammengeheftet und illustriert habe.

Als Teenager habe ich viele Romane angefangen und nie zu Ende geschrieben. Das gelang mir erst, als 2016 mein erster Sohn geboren wurde. Irgendwie war ich voller Energie. Ich wollte etwas weitergeben und ich wollte mir endlich meinen Lebenstraum erfüllen.

Was mich besonders am Bücherschreiben fasziniert, ist die Möglichkeit, in eine ganz andere Welt abzutauchen. Ein anderes Leben zu leben. Es hat schon etwas Eskapistisches. Sowohl für die Leserinnen und Leser als auch für mich als Autorin. Und zumindest bei mir funktioniert das nur über Emotionen, daher die Taschentücher. Wenn ein Buch mich wirklich packt, fließen fast immer die Tränen. Und das wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern auch – sie sollen alles hautnah mit den Figuren miterleben.

Du bist Self-Publisherin. Dein erstes Buch kam in einer Neuauflage bei einem E-Book-Verlag heraus. Was gefällt Dir besser oder war die Neuauflage beim Verlag gar nicht so revolutionär anders? Was magst Du am Self-Publishing? Auf was könntest Du verzichten?

Puh, das ist eine gute Frage. Ich denke, ob man als Self-Publisher oder Verlagsautor veröffentlichen will, ist in erster Linie eine Frage des eigenen Geschmacks. Möchte ich die volle Kontrolle haben? Oder gebe ich einen Teil der Arbeit an erfahrene Partner ab, denen ich vertrauen kann?

Die Neuauflage meines Debütromans Schneestolz unter dem Titel Der Glanz des blauen Bandes hat mir wertvolle Einblicke in das Verlagsgeschehen beschert. Nichts geht über das Feedback eines guten, objektiven Lektors. Die Verlagsmenschen wissen ganz genau, in welche „Sparte“ ein Buch passt und wie man es vermarkten kann. Auch wenn ich die künstlerische Freiheit schätze, die das Self-Publishing bietet, habe ich es für mich ad acta gelegt und bin mir sehr sicher, dass der Verlagsweg der richtige für mich ist. Einfach, weil ich kein Allround-Talent bin. Ich möchte mich aufs Schreiben konzentrieren und ich arbeite gern im Team. Auch eine knappe Deadline motiviert mich erst richtig – aber die kann man sich im Self-Publishing natürlich auch selbst setzen.

Liest Du selbst lieber E-Books oder gedruckte Bücher?

Eigentlich bin ich ein bibliophiler Papiernerd – je älter und verstaubter, desto besser. Am besten mit Goldschnitt und einem alten Exlibris, das im Einband klebt. Allerdings hat es sich im Alltag einer zweifachen Mutter doch als praktikabler erwiesen, die Bücher digital auf dem E-Reader zu lesen. Den kann man einfach schlechter auseinanderrupfen.

Du bist freie Übersetzerin und Autorin. Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei Dir aus?

Um sechs Uhr stehe ich auf, um halb acht sind die Kinder im Kindergarten. Dann frühstücke ich ausgiebig, gehe mit dem Hund raus und setze mich ab spätestens neun an den PC. Am liebsten in mein Lieblingscafé, da kann ich mich einfach besser konzentrieren als zu Hause. Ich arbeite bis zum frühen Nachmittag, dann hole ich die Kinder ab. Wenn sie im Bett sind, geht es ab sieben, halb acht noch für zwei bis drei Stündchen weiter. Das Übersetzen wechsle ich mit dem Schreiben ab – beides gleichzeitig klappt nicht so gut. Wenn ich also gerade ein Buch übersetze, konzentriere ich mich ganz darauf und lege für vier bis sechs Wochen das Schreiben auf Eis. Mein Tagesablauf sieht dann aber ähnlich aus, nur dass ich eben nicht schreibe, sondern übersetze.

Schreibst Du jeden Tag?

Ja. Manchmal gibt es Ausnahmen – wenn ich krank oder im Urlaub bin –, aber jeder Tag, an dem ich nichts geschrieben habe, tut mir in der Seele weh. Es ist schon ein bisschen eine Sucht – aber eine schöne.

Englische Autoren werden gerne gefragt, ob sie „Plotter“ oder „Pantser“ sind, also Planer oder Bauchschreiber. Zu welcher Fraktion gehörst Du?

Ich bin wohl sowas wie ein „chaotic Plotter“. Ich plane meine Geschichte grob und fange mit dem Pitch und Klappentext an. Dann schreibe ich eine Art Zusammenfassung der Handlung (ähnlich wie in einem Exposé) auf knapp zehn Seiten. Ich weiß dann ungefähr, was in den nächsten Kapiteln passieren soll, aber die Details ergeben sich beim Schreiben. Da lasse ich mich von meinen Figuren leiten.

Viele Autoren schwören auf Kaffee beim Schreiben. Welche Geheimmittel bringen Dich durch lange Schreibphasen?

Kaffee ist natürlich unverzichtbar. Ich trinke aber meistens Früchte- oder Gewürztee. Bei emotionalen Szenen höre ich (falls ich zu Hause bin und nicht im Café) gerne passende Musik. Wenn ich mal verschnaufen muss, drehe ich eine Runde an der frischen Luft mit dem Hund.

Welche Themen oder Zeiten interessieren Dich beim Schreiben am meisten? Worüber würdest Du niemals schreiben?

Meine Interessen sind sehr weit gestreut: Ich habe leider immer viel zu viele Ideen. Vom historischen Roman über das Jugendbuch bis zum Thriller kann ich da gar nichts ausschließen. Ich finde, jede Zeit hat ihren Reiz, wenn man z. B. eine interessante historische Persönlichkeit beleuchtet und in ihr Lebensumfeld eintauchen kann. Die Themen, die mich interessieren, sind alle zwischenmenschlicher Natur: Familie und Freundschaft, Liebesgeschichten und Selbstfindung. Der Wert des Einzelnen in einer überbevölkerten Welt. Aber auch düstere und tragische Themen wie Tod/Verlust, Trauerbewältigung und Wahnsinn.

Was ich wohl niemals schreiben könnte, ist High Fantasy. Das packt mich irgendwie nicht. Und auch Kinderbücher finde ich sehr schwierig und anspruchsvoll – aber vielleicht kommt irgendwann doch die zündende Idee, wer weiß?

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Bücher? Fallen Dir die spontan ein oder hast Du eine Sammlung, aus der Du schöpfen kannst?

Beides. Sie fallen mir spontan ein, ich notiere sie kurz und komme so zu einer kleinen Sammlung, aus der ich bei Bedarf schöpfen kann. Fast jeder Autor kennt ja solche „Plot Bunnys“: Man fängt im Vorbeigehen einen schönen Gedanken ein und spinnt ihn weiter, bis sich daraus eine ganze Geschichte entwickelt.

Hast Du schon einmal überlegt, ein Buch mit einem Mann als Protagonist zu schreiben?

Ja, warum auch nicht? Meine zwei aktuellen Projekte – ein Jugendbuch und ein humorvoller Liebesroman – sind abwechselnd aus Sicht der Protagonistin und des Protagonisten verfasst. Ich glaube nicht, dass die männliche Sicht sich per se von der weiblichen unterscheidet. Aber es macht Spaß, die Figuren so direkt zu kontrastieren und ermöglicht mir, die Beziehung zwischen ihnen tiefer auszuleuchten.

Hast Du literarische Vorbilder? Wenn ja, wen?

Sehr beeindruckt hat mich wie gesagt damals – mit der Taschenlampe unter der Bettdecke – E. A. Poe. Er schafft es einfach, einen Horror zu erzeugen, der so schleichend und langsam entsteht, dass man nichts bemerkt, bis man der Spinne ins Netz geht. Und dann muss man trotzdem weiterlesen. Es ist wie ein Sog. Wer „Berenice“ von ihm kennt, weiß, was ich meine.

Aber auch bei den zeitgenössischen Autorinnen und Autoren gibt es viel, was mich inspiriert. Jedes Buch, das man liest, beeinflusst ja auch irgendwie den eigenen Schreibstil. Was den Liebesroman angeht, weiß Melanie Metzenthin genau, was man sagen und über was man schweigen muss. Wie viele Details nötig sind, ohne langatmig zu werden. Wenn wir beim Humorvollen sind, finde ich Ephraim Kishons trockene Komik einfach genial!

Welches Buch liegt aktuell auf Deinem Lesestapel?

Der Lesestapel ist leider schon wieder viel zu groß, aber als nächstes werde ich wohl ein paar Liebesromane von Kolleginnen der DeLia (Vereinigung deutscher Liebesromanautorinnen und -autoren) lesen. Den Thriller Caspars Schatten von Self-Publishing-Autor Michael Leuchtenberger habe ich mir auch schon länger vorgenommen.

Was findest Du beim Schreiben eines Textes am schwierigsten?

Den Anfang. Die Selbstzweifel zu überwinden, bis man so weit in die Geschichte eingetaucht ist, dass sie einen nicht mehr loslässt. Das ist immer eine kleine Hürde – aber es lohnt sich.

Was stört Dich am meisten am Autorendasein? Was genießt Du besonders?

Was mir zu schaffen macht, ist die ständige Ungewissheit. Man kann so hart arbeiten und so gut schreiben, wie man will: Etwas Unsicherheit bleibt immer. Findet sich ein passender Verlag? Kommt das Buch bei den Leserinnen und Lesern an? Ist es so gut, wie es sein kann, oder sollte ich doch lieber noch mal alles überarbeiten? Wie entwickelt sich der Markt, ist mein Thema jetzt vielleicht schon „durch“? Das kann sehr zermürbend sein.

Was ich sehr genieße, ist die Möglichkeit, meinen Traum zu leben. Der Autorenalltag kommt mir nicht wie Arbeit vor, sondern wie die Erfüllung meiner Bestimmung. Das klingt furchtbar kitschig, aber in mir brennt einfach etwas, wenn ich schreibe. Es gibt nichts auf der Welt, das ich so sehr will, wie Geschichten erzählen und mit meinen Büchern Menschen berühren. Es ist einfach in mir drin und ich bin dankbar für jeden kleinen Schritt auf meinem noch sehr langen Weg und für die Möglichkeit, meinem Traum immer näher zu kommen. Irgendwann möchte ich ein ganzes Bücherregal vollgeschrieben haben … und weiterschreiben.

Die Bücherwelt dreht sich immer schneller. Manche Autoren bringen vier bis sechs Bücher pro Jahr auf den Markt. Einen Roman in 30 oder 60 Tagen zu schreiben, wird überall als machbar angepriesen. Siehst Du dieser Entwicklung gelassen entgegen oder fühlst Du Dich dadurch unter Druck gesetzt?

Ich verweise auf das Bücherregal oben … Ich denke es ist durchaus machbar, ja. Aber man muss natürlich erst mal lernen, mit dem Druck umzugehen. Und oft muss man zuerst unfassbar stark an sich selbst glauben, bevor es andere tun. Das ist das Schwierigste: Ein ganzes Buch schreiben, ohne zu wissen, ob es auch verlegt werden und sich verkaufen wird. Da ich mir aber sowieso nicht vorstellen kann, mit dem Schreiben aufzuhören, schrecken mich vier bis sechs Bücher im Jahr nicht ab. Mir persönlich ist die Qualität dann aber wichtiger als die Masse, und ein bisschen Zeit für meine Familie möchte ich auch noch haben, so dass zwei oder drei vielleicht auch reichen.

Wenn Du anderen Nachwuchsautoren einen Rat geben solltest, welcher wäre das?

Hört auf eure innere Stimme. Vergleicht nicht. Ich weiß, dass ein gutes und ein schlechtes Buch gleichermaßen demotivierend sein kann: „Das wird gedruckt?“ oder „So gut werde ich niemals sein!“ Ihr habt ein Interesse, eine Begabung und das nicht ohne Grund. Vertraut auf euch selbst, dann werden es auch andere tun. Und vor allem: Hört nicht auf zu schreiben. Wie heißt es so schön? Try again. Fail again. Fail better.

An was arbeitest Du gerade und was sind Deine nächsten Projekte?

Momentan bin ich auf Verlagssuche für einen romantischen Familiengeheimnisroman. Parallel arbeite ich an einem humorvollen Liebesroman mit einem sehbehinderten Protagonisten, der den Arbeitstitel Graue Katzen bei Nacht trägt und mir beim Schreiben sehr viel Spaß macht. Außerdem habe ich eine Urban-Fantasy-Jugendbuchreihe angefangen, in der ich meine Protagonisten beim Erwachsenwerden und Sich-das-erste-Mal-verlieben begleite – auch sehr spannend!

Wo kann man Dich online am besten erreichen, wenn man sich für Dich und Deine Bücher interessiert?

Erste Anlaufstelle ist meine Homepage www.riahellichten.de. Man findet mich auch auf Facebook und Instagram. Am liebsten bin ich aber auf Twitter und natürlich freue ich mich auch über eine Mail an hallo@riahellichten.de.

Vielen Dank für das Gespräch, Ria.

Dir auch vielen Dank für die Möglichkeit, es hat viel Spaß gemacht!


Wenn Du jetzt Lust bekommen hast, auch unter die Nachwuchsautoren zu gehen, dann schau doch mal in meinen Beitrag Crash-Kurs für Autoren hinein. Darin begleite ich Hobbyautoren von der Buchidee bis zum fertigen Buch und noch ein Stückchen weiter.


Dr. Birgit Constant


Birgit Constant ist promovierte Mediävistin, hat elf Sprachen gelernt und sich in Übersetzung, IT und PR herumgetrieben, bevor sie in der Buchwelt landete.

Sie schreibt historische Romane für Leser, die geschichtlich und sprachlich ins Mittelalter eintauchen wollen, und hat einen Ratgeber für Nachwuchsautoren veröffentlicht, die mit deutscher Bürokratie und Buchmarketing kämpfen.

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