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Nachwuchsautoren im Gespräch: Ben Kohler 

 6. Dezember 2019

Interviews mit Bestseller-Autoren gibt es überall. Also her mit den Nachwuchsautoren!

Diese Woche stelle ich Ben Kohler vor, der nicht nur in seinen Büchern die Gegenwart zukunftsorientiert zur Sprache bringt.

Hallo Ben. Vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, um mir ein paar Fragen zu beantworten.

Du bist Autor, Journalist und IT-Consultant. In welcher Rolle fühlst Du dich am wohlsten und wie sieht ein typischer Tagesablauf bei Dir aus?

Journalist war ich mal, das ist schon lange her. In welcher Rolle ich mich am wohlsten fühle, lässt sich schwer sagen. Ich mag meinen Job sehr, bin auch als Speaker unterwegs und schreibe, wann immer es geht. Das verbindende Element meines Jobs als Consultant, Speaker und Autor ist die Sprache, was es dann doch wieder nicht so unterschiedlich macht. Meinen Tag beginne ich an sechs Tagen die Woche um 5 Uhr morgens. Das gibt mir die Zeit, 2,5 Stunden zu schreiben (meinst 1 bis 1,5 Stunden), gemütlich einen oder zwei Kaffee zu trinken, die To-Do-Liste für den Tag zu erstellen und bereits die ersten wichtigen Mails zu verschicken. Gegen acht wecke ich dann meine Tochter. Gegen 9.30 Uhr bin ich in der Agentur oder beim Kunden. Abends lese ich dann – im Schnitt etwa ein Buch pro Woche. Sonntags mache ich meistens nichts, das ist nur Vater-Tochter-Zeit. Außerdem bin ich dreimal die Woche beim Sport und in der Sauna. 

Deine Autorenkarriere nimmt gerade ungeheuer Fahrt auf: Im Juni erschien Dein Sachbuch The Agile Attitude, mit Deinem Thriller Lautlos beteiligst Du Dich am #newpipertalent2019-Wettbewerb und für Anfang 2020 planst Du einen Roman mit dem klingenden Titel F*ck. Das ist ein buntes Potpourri. Was schreibst Du am liebsten und warum?

Das kann ich noch nicht so genau sagen. Ich fühle mich sehr wohl im Thriller- und Horror-Genre. The Agile Attitude wird ziemlich sicher mein einziger Ratgeber bleiben. F*ck ging mir am einfachsten von der Hand, weil es meine Geschichte ist. Für Lautlos um die Protagonisten Agent Dagger und Jules McQueen wird es weitere Bücher geben, das zweite ist gerade in Planung (Arbeitstitel War Cloud). Es wird also ziemlich sicher auf Thriller, Horror- und auf Roadmovie-Bücher hinauslaufen. Außerdem habe ich paar Anfragen für Drehbücher und plane aktuell zwei Biographien, die ich als Ghostwriter schreiben darf.  

Du veröffentlichst Deine Bücher selbst. Widerspricht sich das nicht mit Deiner eigenen Aussage, dass Du schon seit Schulzeiten faul bist? Oder erschien Dir die Verlagssuche als der größere Arbeitsaufwand im Gegensatz zum Self-Publishing?

Im Grunde schon. Die Faulheit habe ich aber glücklicherweise ablegen können. Mit The Agile Attitude wollte ich einfach die Erfahrung machen, wie das alles funktioniert. Für Lautlos und F*ck bin ich aber schon auf der Suche nach einem Verlag. Sollte das nicht klappen, wird es wieder Self-Publishing werden.  

Gedruckt oder als E-Book – wofür entscheidest Du Dich?

Wenn ich kann, gedruckt. Ich liebe Papier und den Geruch neuer Bücher. Außer im Urlaub, da ist der Kindle-Reader immer dabei.  

Schreibst Du jeden Tag?

Ja, außer sonntags.  

Englische Autoren werden gerne gefragt, ob sie „Plotter“ oder „Pantser“ sind, also Planer oder Bauchschreiber. Zu welcher Fraktion gehörst Du?

Romane plotte ich, bei einem Thriller wie Lautlos geht das auch nur schwer ohne, da viele Handlungsstränge und Orte am Ende zueinanderfinden müssen. Ich mache aber keine umfangreichen Plots – bei machen Kollegen ist der Plot ja schon beinahe ein fertiges Buch –, sondern schreibe grob den roten Faden, Plot Twists, Orte, Zeiten, etc.

Kurzgeschichten schreibe ich aus dem Bauch heraus, da habe ich meistens nur den ersten Satz im Kopf und schreibe dann einfach drauf los. 

Viele Autoren schwören auf Kaffee beim Schreiben. Welche Geheimmittel bringen Dich durch lange Schreibphasen?

Kaffee auf jeden Fall! Und wenn ich mal irgendwo hänge, hilft mir joggen, um die Gedanken zu sortieren und die Handlung weiterzuentwickeln.  

Welche Themen oder Zeiten interessieren Dich beim Schreiben am meisten? Worüber würdest Du niemals schreiben?

Ich mag die Gegenwart, mit einer leichten Tendenz in die Zukunft, weil da aktuell unglaublich viele spannende und zugleich beängstigende Dinge passieren. Davon wird auch War Cloud, der zweite Teil um Dagger und Jules, handeln. Basierend auf einem Artikel, den ich vor einiger Zeit gelesen habe – Amazon und Microsoft arbeiten an einer War Cloud für das amerikanische Militär –, habe ich mir die Frage gestellt, was wohl passieren würde, wenn Amazon vom Kaufhaus zum Kriegsdienstleister werden würde. Mit all den Echo-Geräten, Drohnen, der Cloud, die 80 % aller Websites hostet, etc. ist das eine spannende Frage.

Sag niemals nie – aber ich glaube, historische Romane wären nichts für mich. 

Von welcher historischen Persönlichkeit könntest Du Dir vorstellen, dass sie in Deinen Büchern auftaucht? Oder ziehst Du fiktive Charaktere vor?

Wie gesagt, historische Romane sind nichts für mich, aber Persönlichkeiten aus der Gegenwart kommen bereits in Lautlos vor. Mal sehen, was noch kommt. 

Woher nimmst Du die Ideen für Deine Bücher? Fallen Dir die spontan ein oder hast Du eine Sammlung, aus der Du schöpfen kannst?

Unterschiedlich. Alles beginnt für mich immer mit der Frage: „Was wäre, wenn …?“ Die Ideen dazu habe ich dann oft aus Zeitungsartikeln oder Reportagen. Kürzlich las ich zum Beispiel einen Artikel über genveränderte Mücken, die zu früh in die freie Wildbahn entlassen wurden und sich nun nicht verhalten wie geplant. Da beginnt sofort mein Kopfkino und ich mache mir Notizen. Daraus wird vielleicht dann der dritte Dagger-und-Jules-Teil.

Die Ideen für Kurzgeschichten fallen mir meistens spontan ein, für Romane habe ich einen Ideenpool, eine Sammlung von Artikeln, Videos, etc. Zudem verarbeite ich in Kurzgeschichten oft meine eigenen Ängste, die meistens mit meiner Tochter zusammenhängen. Was passiert, wenn sie plötzlich verschwindet, entführt wird, krank wird, usw. Das hilft mir, mich gedanklich damit auseinanderzusetzen.

Hast Du schon einmal überlegt, ein Buch mit einer Frau als Protagonistin zu schreiben?

Ja. Habe ich sogar gemacht. In Lautlos ist die Protagonistin ein 16-jähriges Mädchen. Gilt das schon als Frau?  

Hast Du literarische Vorbilder? Wenn ja, wen?

Auf jeden Fall! Ich lese seit früher Jugend quasi alles von Stephen King. Don Winslow finde ich sensationell, was Recherche und Spannungsaufbau angeht. H.P. Lovecraft mag ich für seine klare, schnörkellose Sprache. Schreiben auf den Punkt, das fällt vielen, inklusive mir, schwer.  

Welches Buch liegt aktuell auf Deinem Lesestapel?

Mehrere. Ich höre aktuell Das Institut von King, lese Danse Macabre, The President is Missing, Joy INC. und Caspars Schatten

Was findest Du beim Schreiben eines Textes am schwierigsten?

Mir persönlich fällt die Erzählperspektive am schwersten. Da schwanke ich leider innerhalb eines Textes immer wieder zwischen personalem und auktorialem Erzähler hin und her. Das ärgert mich dann, und es ist echt Arbeit, das dann zu korrigieren. Hin und wieder schlägt der Stil des Journalisten durch, und ich packe zu viele Informationen in zu lange Sätze. Es gibt also ein paar Dinge, an denen ich arbeiten muss, aber damit komme ich klar.

Was stört Dich am meisten am Autorendasein? Was genießt Du besonders?

Wirklich stören tut mich nichts. Hin und wieder ärgert es mich, dass viele glauben, es besser zu wissen oder besser zu können, obwohl sie noch nie selbst etwas veröffentlicht haben. Das ist aber, denke ich, kein Problem, das nur Autoren haben. In meinem Job als Agile Transformation Consultant geht mir das auch so.

Ich genieße die Phase des Schreibens, die Entstehung der Rohfassung. Wenn eine Geschichte aus meinem Kopf schließlich auf Papier ist, ENDE unter der letzten Zeile steht, das genieße ich besonders. Und wenn man dann sein Buch in den Händen hält, dieser Moment, etwas geschaffen zu haben, etwas Nachhaltiges, das finde ich großartig! Für mich ist es ein tolles Gefühl zu wissen, dass meine Tochter später mal etwas in der Hand halten kann, das ihr Papa erschaffen hat. Wenn ich Glück habe, liest sie es auch. 

Die Bücherwelt dreht sich immer schneller. Manche Autoren bringen vier bis sechs Bücher pro Jahr auf den Markt. Einen Roman in 30 oder 60 Tagen zu schreiben, wird überall als machbar angepriesen. Siehst Du dieser Entwicklung gelassen entgegen oder fühlst Du Dich dadurch unter Druck gesetzt?

Total gelassen. Für mich selbst wäre das nichts, auch wenn sich damit nachweislich am schnellsten Geld verdienen lässt. Aber ich bin eher ein Freund von Qualität denn Quantität. Damit will ich nicht sagen, dass Bücher, die in ein oder zwei Monaten komplett fertig geschrieben sind, generell Mist sind. Ich glaube aber schon, dass Qualität ihre Zeit braucht. Hängt aber sicher auch vom Genre und der Komplexität der Geschichte ab. Und der Erfolg mancher Autoren, die einen solchen Rhythmus haben, gibt ihnen ja irgendwie Recht.  

Wenn Du anderen Nachwuchsautoren einen Rat geben solltest, welcher wäre das?

Anfangen. Durchziehen. ENDE schreiben. Die meisten scheitern sicher daran, entweder niemals anzufangen oder es dann nicht bis zum Ende durchzuziehen. Das ist harte Arbeit, die oft unterschätzt wird. Die Überarbeitung ist dann nochmal eine andere Hausnummer und dauert mindestens so lange, wie die Rohfassung zu schreiben, ist aber viel mehr handwerkliche Arbeit.

Und: Lasst euch nichts von Talent erzählen. Das gibt es nicht. Schreiben ist ein Handwerk, wie jedes andere auch. Das kann man lernen, dafür braucht es Zeit und jede Menge Übung. Schreibe also jeden Tag, lass deine Texte von erfahrenen Autoren oder Lektoren korrigieren, lerne daraus und nimm jede Hilfe und jedes Feedback, das du bekommen kannst. Nicht jedes Feedback ist wertvoll, aber das lässt sich dann ja ignorieren.

Dein für 2020 geplanter Roman beschäftigt sich mit Deiner Zeit als Nachtclubbesitzer. Bist Du nicht noch zu jung für eine Autobiographie?

Für eine Autobiographie auf jeden Fall. F*ck beschäftigt sich aber „nur“ mit diesem einen Jahr und ist eher ein Roadmovie-Buch als eine Biographie, also definitiv im Sektor „Unterhaltung“ angesiedelt und demnach auch mit einigen Geschichten angereichert, die daraus einen Roman haben werden lassen. 

Woran arbeitest Du gerade sonst noch und was sind Deine nächsten Projekte?

Im Moment steht die Arbeit an F*ck an erster Stelle, das ich gerade gemeinsam mit meinem Lektor Jens Eisel bearbeite. Außerdem arbeite ich zusammen mit einigen anderen Autoren an einer Horroranthologie, die wir 2021 rausbringen werden (wollen). Die Planung für War Cloud läuft auf Hochtouren, ich hoffe, den zweiten Dagger-und-Jules-Thriller Ende 2020 veröffentlichen zu können, vorzugsweise zusammen mit einem Verlag. Ich schreibe außerdem gerade für einen Freund ein Drehbuch für einen Kurzfilm und arbeite an zwei Kurzgeschichten, die es hoffentlich in eine Anthologie schaffen. 

Wo kann man Dich online am besten erreichen, wenn man sich für Dich und Deine Bücher interessiert?

Am besten auf benkohler.de, auf Instagram oder auf Twitter. Für F*ck gibt es sogar eine eigene Mailingliste auf meiner Homepage. Tragt euch ein! 

Vielen Dank für das Gespräch, Ben.

Ich danke dir, es hat wirklich großen Spaß gemacht!


Wenn Du jetzt Lust bekommen hast, auch unter die Nachwuchsautoren zu gehen, dann schau doch mal in meinen Beitrag Crash-Kurs für Autoren hinein. Darin begleite ich Hobbyautoren von der Buchidee bis zum fertigen Buch und noch ein Stückchen weiter.


Dr. Birgit Constant


Birgit Constant ist promovierte Mediävistin, hat elf Sprachen gelernt und sich in Übersetzung, IT und PR herumgetrieben, bevor sie in der Buchwelt landete.

Sie schreibt historische Romane für Sprachbegeisterte, die geschichtlich und sprachlich ins Mittelalter eintauchen wollen, und hat einen Ratgeber für Nachwuchsautoren veröffentlicht, die mit deutscher Bürokratie und Buchmarketing kämpfen.

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